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Emissionshandel: Wirtschaftswahnsinn oder Weltrettung?
Von jedem ein bisschen und doch nicht ganz. Stark pointiert lassen sich die Positionen der Beteiligten auf diese vier Schlagwörter im Titel eindampfen. Die von der EU für Anfang 2012 geplante Einbeziehung der Luftfahrt in den Emissionshandel droht einen veritablen Handelskrieg mit Drittstaaten zu entfachen.
Ziel des ETS (Emission Trading Scheme) ist, den Ausstoß von Treibhausgasen systematisch zu reduzieren. Als „polemisierte Diskussion“ bezeichnet Andreas Zotz von Naturfreunde Internationale / respect die Auseinandersetzung rund um den von der EU initiierten Emissionshandel. Die IATA (International Air Transport Association) bezeichnet die Pläne der EU als „fehlgeleitet“ und ruft europäische Regierungen auf, sich gemeinsam mit der Branche für eine globale Lösung einzusetzen. Jens Bischof, Vertriebschef der Lufthansa, rechnet mit einer Mehrbelastung von bis zu 350 Mio. EUR pro Jahr, die AUA mit zusätzlichen Kosten in zweistelliger Millionenhöhe. Neben den Mehrkosten argumentieren EU-Airlines auch mit einem standortbedingten Wettbewerbsnachteil. Ein Beispiel: Auf eifnem Nonstop-Flug Wien - Delhi wird der CO2-Ausstoß auf der gesamten Strecke als Berechnungsbasis angenommen. Führt die Route allerdings über einen Umsteigehub wie Dubai, fallen nur Kosten für den Leg Wien - Dubai an, nicht aber für Dubai - Delhi. So zahlt die Fluglinie, die die kürzere Strecke und somit gesamt gesehen weniger CO2 ausstößt mehr, als die, die mit Zwischenlandung mehr Kilometer zurücklegt, aber nur für den ersten Streckenabschnitt belastet wird.
Aus Sicht der EU war es höchste Zeit, einen ersten Schritt zu setzen, nachdem die ICAO (International Civil Aviation Organisation) nach 14 Jahren immer noch keinen Vorschlag für einen globalen Lösungsansatz geliefert hatte. Nun sieht die EU vor, auch Airlines, die vom Emissionshandelssystem aus dem Jahr 2005 bisher ausgenommen waren, ab 1. Jänner 2012 mit einzubeziehen. Um eine Wettbewerbsverzerrung zu verhindern, sollen nach Plan der EU auch Fluglinien aus Nicht-EU-Staaten, die in Europa starten und landen, dem ETS unterliegen. Was wiederum heftige Reaktionen der Regierungen einiger Länder, darunter China, USA, Russland, Indien und Brasilien, hervorruft, die mit Sanktionen bis hin zur Streichung von Start- und Landerechten und Überflugsverboten drohen. Die US-Regierung sieht im Schritt der EU einen Verstoß gegen das Völkerrecht. Zudem arbeitet sie an einem Gesetz (EU ETS Prohibition Act), der US-Airlines verbietet, am ETS teilzunehmen. Amerikanische Fluglinien müssten somit entscheiden, welches Gesetz - US oder EU - sie brechen wollen.
Wer kriegt wie viel?
Die Zuteilung der Zertifikate ist genau aufgeschlüsselt und wird in Österreich vom Umweltministerium verwaltet. Mit Anfang 2012 gilt eine Obergrenze für CO2-Emissionen durch Fluglinien, die von und nach Europa fliegen, ungeachtet ihres Herkunftslandes. Die Zahl der Zertifikate ist gleich der Emissionsobergrenze. Ein Zertifikat berechtigt zum Ausstoß einer Tonne CO2. Für die erste Periode, das Jahr 2012, wurden die Zertifikate mit 97% des durchschnittlichen CO2-Ausstoßes der Jahre 2004 - 2006 limitiert. In der zweiten Periode, 2013 - 2020, wird die Obergrenze auf 95% reduziert. Für 2012 erhalten Fluglinien, die von und nach Europa fliegen, 85% der von ihnen gebrauchten Zertifikate gratis zugeteilt. Die Berechnung erfolgt auf Basis der ASK (Verfügbare Sitzplatzkilometer). Die restlichen 15% müssen zu marktaktuellen Preisen ersteigert werden. Die EU-Richtlinie geht von 20 bis 30 EUR pro Zertifikat aus. Der derzeitige Wert liegt allerdings nur bei knapp 10 EUR, ist aus dem Umweltministerium in Wien zu erfahren. Gibt es eine Verknappung der Zertifikate, steigt der Preis.
Konkrete Zahlen
Die CO2-Emissionen der Luftfahrt im Zeitraum 2004 - 2006 betrugen im Anwendungsbereich der EU-Richtlinie, also EU/EWR-intern und EU/EWR - Drittstaaten, 221,4 Mio. Tonnen. Die 97% davon, die 2012 als Zertifikate zur Verfügung stehen, belaufen sich somit auf 214,8Mio. Tonnen. 2013 - 2020 sinkt der Wert auf 210,3 Mio. Tonnen. Luftfahrzeugbetreiber, die Österreich als Verwaltungsmitgliedstaat zugewiesen sind, erhalten 2012 1,93 Mio. Zertifikate (= Tonnen CO2) gratis zugewiesen, ab 2013 sinkt der Wert auf 1,83 Mio. Zertifikate pro Jahr, berichtet aus dem Umweltministerium.
Wer zahlt?
Dass die Airlines die Mehrbelastungen, die durch das ETS entstehen, nicht einfach schlucken werden, scheint klar. Wie erwähnt geht die Lufthansa von rd. 350 Mio. EUR im Jahr aus. Also muss auf die Passagiere abgewälzt werden. Bei einem angenommenen Preis von 25 EUR pro Tonne würden die Preise für ein Ticket pro tausend Kilometer um 3 EUR steigen, rechnet Andreas Zotz von Naturfreunde Internationale / respect vor. Eine andere Schätzung geht davon aus, dass ein CO2-Preis von 30 EUR pro Tonne zu folgenden Preiserhöhungen für Flugtickets führen würde: London – Madrid 2 EUR; London – New York 10 EUR; London – Sydney 32 EUR. (vgl. dazu www.carbonretirement.com). Ob Airlines nur die Kosten für die 15% zu ersteigernden Zertifikate an die Kunden weiterreichen oder auch die fiktiven Kosten der gratis zugeteilten, ist nicht klar.
Mehr dazu in der kommenden Ausgabe von tip am Montag
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Autor/in:
Dieter Putz
Redakteur / Managing Editor
Dieter ist seit 25 Jahren wichtiger Teil des Profi Reisen Verlag-Teams. Fast jedes geschriebene Wort, das die Redaktion verlässt, geht über seinen Schreibtisch.
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