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Initiative Zukunft Tourismus: EU-Kandidaten am Prüfstand


Foto: Olivier Le Moal / shutterstock.com
2,3 Mio. Unternehmen. 12,3 Mio. Beschäftigte. Der Tourismus ist der drittwichtigste Wirtschaftszweig in der EU. Doch wie es mit der Branche weitergehen soll, ist ungewiss, so die Sprecher der Initiative Zukunft Tourismus, Michaela Reitterer und Paul Blaguss.

„Wenn wir uns ansehen, was Asien investiert, sieht Europa alt aus. Weil die einen Plan haben. Und wir nicht. Höchste Zeit, sich Gedanken darüber zu machen“, kritisieren die beiden unisono. Die Vereinigten Arabischen Emirate hätten bereits vor Jahren ihre Tourismusstrategie bis 2031 fixiert: Die Einnahmen würden seither jedes Jahr stark steigen. China erwarte Tourismuseinnahmen von 168 Mrd. EUR im laufenden Jahr und 215 Mrd. EUR für 2028 - das sind 6,4% Steigerung pro Jahr, untermauern Reitterer und Blaguss ihre Bedenken mit Zahlen.

„Ein Kunststück, das keiner sehen will!“

Die EU hat Programme für Industrie und KI, den Agrarsektor, die Fischerei und den Bergbau, nur keines für den Tourismus. 28 Kommissare, keinen für Tourismus. „Und bei einem Billionen-Budget nichts für den drittwichtigsten Wirtschaftszweig einzuplanen, ist ein Kunststück – aber eines, das keiner sehen will“, so Reitterer. Zum Vergleich: Der EU-Haushaltsplan 2021 bis 2027 sah für die Landwirte, die 1,7% des EU-BIP erwirtschaften, 387 Mrd. EUR vor. Der Tourismus erbringt 10% der Wirtschaftsleistung.

Mehr Wertschöpfung mit messbaren Zielen

„Der mehrjährige Finanzrahmen läuft 2027 aus. Bevor der nächste beschlossen wird, braucht es eine EU-Strategie für mehr Wertschöpfung aus dem Tourismus mit messbaren Zielen“, so die Sprecher. Der Ball liegt bei Österreichs EU-Abgeordneten: „Österreich hat das Know-how und sollte mit einer Gruppe tourismusintensiver Länder die Initiative ergreifen“, so Blaguss. Ganz Südeuropa, der Alpenraum, die Seen- und Küstenregionen müssten Interesse daran haben, diesen weißen Fleck auf der wirtschaftspolitischen Landkarte der EU „mit Hirn, Leben und Leidenschaft zu füllen!“

KandidatInnen befragt

Damit das gelingt, brauche es EU-Abgeordnete, die sich für den Tourismus engagieren. Um den Bewohnern der Tourismusregionen einen Eindruck davon zu vermitteln, hat die Initiative Zukunft Tourismus sie zu ihren Plänen für den Tourismus in der EU befragt, zu einer Tourismusstrategie, zu Luftfahrt, Reisebüros und Reiseveranstalter, Destinationen, Finanzierung, Arbeitsmarkt, Digitalisierung, Urlaub am Bauernhof und der Zukunft der Tourismusforschung. Untenstehend die Aussagen der im Parlament vertretenen Parteien zu den Themen „Reisebüros und Reiseveranstalter“ sowie „Luftfahrt“. (Die Anzahl der errungenen Mandate bei der vergangenen EU-Wahl bestimmen die Reihenfolge der Antworten)

Die Zukunft unserer Reisebüros

Reisebüros spielen eine bedeutende Rolle im heimischen Tourismus, vor allem dank der Rundum-Sorglos-Pakete in Form von Pauschalreisen. Die geplante Neugestaltung der diesbezüglichen Richtlinie verteuert dieses Service merklich und erschwert den Verkauf massiv, und das ohne Mehrwert für den Kunden. Wie beschreiben Sie Ihre Position bzw. die Ihrer Fraktion? 

  • Reinhold Lopatka, ÖVP
    Reisebüros bieten umfassende Beratung zu touristischen Angeboten im In- und Ausland. Außerdem unterstützen sie die Buchung ganzer „Leistungspakete“ und stärken Kundinnen und Kunden den Rücken, wenn es während des Urlaubs doch einmal zu Komplikationen kommt. Damit geht ihr Angebot weit über Vermittlungsleistungen durch Online-Plattformen hinaus, weshalb es dieses tourismuspolitisch wichtige Marktsegment auch in Zukunft zu stärken gilt.
  • Andreas Schieder, SPÖ
    Aus konsumentenschutzpolitischen Gründen ist die Aufrechterhaltung der positiven Information über Pauschalreisen zu gewährleisten. Dies ist keine Frage des Tourismus, hier müssen wir beim Konsumentenschutz ansetzen.
  • Gerald Hauser, FPÖ
    Genauso wie die Luftfahrtindustrie sind Reisebüros zentrale Partner unserer Tourismusbetriebe. Die neuen Richtlinien bringen aber eine Verschlechterung für diese Betriebe, daher müssen sie zurückgenommen und bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden.
  • Die Grünen
    Die EU-Pauschalreiserichtlinie ist aus unserer Sicht ein wichtiges Instrument zum Schutz der KonsumentInnen. Die Kommission versucht aufgetretene Schwächen der Richtlinie zu reparieren. Jedoch darf dabei nach unserer Überzeugung nicht übers Ziel hinausgeschossen werden. Pauschalreisen sollen Pauschalreisen bleiben. Reiseleistungen und mögliche Haftungsfolgen für das Reisebüro hineinzudefinieren wäre wenig praxisgerecht. Es erfüllt auch nicht das erklärte Ziel der Richtlinienreform, die als bereits zu groß erkannte Komplexität zu reduzieren. Unterm Strich wird hier mit der absehbaren Überforderung von Reisebüros den großen globalen Buchungsplattformen in die Hände gespielt. Diese globalen Buchungsplattformen sind offenkundig in Brüsseler Lobbyingkanälen besser aufgestellt als die herkömmlichen Branchenvertretungen. Für die VerbraucherInnen und ihren Schutz wäre dies am Ende kein Fortschritt. Wir plädieren hier für Augenmaß, um absehbaren Kollateralschäden vorzubeugen.
  • Helmut Brandstätter, NEOS
    NEOS setzen sich für klare und effiziente Regulierungen ein, die den Verbraucherschutz stärken, ohne die Kosten für Reisebüros und Kunden zu erhöhen. Wir lehnen daher Maßnahmen ab, die Tourismusbetriebe unnötig belasten und ihre Dienstleistungen letztlich verteuern. Die Neuregelung der Pauschalreiserichtlinie ist stark von den Eindrücken der Corona-Pandemie geprägt. Änderungen sollten jedoch den Regelbetrieb und die Marktverhältnisse angemessen berücksichtigen, insbesondere im Hinblick auf die tatsächlichen Möglichkeiten kleiner und mittlere Tourismusbetriebe. Die deutliche Kritik von Tourismusverbänden muss ernst genommen werden. In der neuen Legislaturperiode sollte grundsätzlich dazu übergegangen werden, neue Regelungen verstärkt auf ihre Praxistauglichkeit und unbürokratische Umsetzung geprüft werden.

Die Zukunft der österreichischen Luftfahrt

Die heimische Luftfahrt ist zentraler Erfolgsfaktor für Österreichs Wettbewerbsfähigkeit und insbesondere für einen funktionierenden Tourismusstandort unerlässlich. Vor dem Hintergrund von Umweltschutz und der aktuellen Klimadebatte wurden vermehrt Forderungen nach stärkerer Besteuerung der Luftfahrt vorgebracht. Dabei bleibt häufig unerwähnt, dass die europäische Luftfahrt bereits in zahlreiche Umweltregime eingebunden ist (EU-Emissionshandel, CORSIA, „ReFuelEU Aviation“ = Beimischverpflichtung alternativer Flugzeugtreibstoffe, etc.) und etliche Maßnahmen zur CO₂-Reduktion ergreift (etwa führt der Flughafen Wien seit 2023 seinen Betrieb CO₂-neutral). Welche Rolle soll die österreichische Luftverkehrswirtschaft (Flughäfen, Airlines, etc.) in Zukunft in Österreich und der EU einnehmen? Benötigt es Ihrer Meinung bzw. der Ihrer Fraktion nach mehr an Regulierung und Besteuerung der heimischen Luftfahrt oder andererseits vielmehr eine stärkere Unterstützung zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit sowie zur nachhaltigen Transformation der Branche?

  • Reinhold Lopatka, ÖVP
    Die Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit des heimischen Tourismusstandorts sind unter anderem der Vielfalt unserer Gäste zu verdanken. Gäste, die auf den Flugverkehr angewiesen sind, bilden daher ein ebenfalls ein wichtiges Segment. Die Gefahr einer nachhaltigen Deindustrialisierung in Europa ist real. Wir müssen die Trendumkehr schaffen und die Potenziale des europäischen Wirtschaftsraums wieder voll ausschöpfen. Europäische Maßnahmen für Klima- und Umweltschutz dürfen nicht auf Kosten der Unternehmen gehen. Unsere Strategie im Klimaschutz sollte von pragmatischem Handeln geleitet sein, bei dem Anreize im Vordergrund stehen, anstatt pauschaler Verbote. Der Flugverkehr ist ein exzellentes Beispiel dafür. Mit der Überarbeitung des Emissionshandelssystems wurde der Luftverkehr darin aufgenommen und somit gibt es auch im Flugverkehr einen C02 Preis. Weiters wurden eigens Vorschriften erlassen, um das konventionelle Kerosin graduell auf erneuerbare Kraftstoffe umzustellen. Wir müssen technologische Innovationen fördern und zudem den Fokus verstärkt auf die positiven Anreize legen, die Klimaschutz bieten kann, anstatt auf Verzichte zu bestehen. Dieser Ansatz verringert unsere Abhängigkeit von Drittstaaten und andererseits wird mit den erneuerbaren Kraftstoffen auch diese Wertschöpfungsquelle in der europäischen Volkswirtschaft gehalten. Dieser Ansatz ermöglicht eine nachhaltige Entwicklung, die sowohl ökologisch verträglich als auch wirtschaftlich vorteilhaft ist.
  • Andreas Schieder, SPÖ
    Wichtig ist, dass die Luftfahrtwirtschaft generell CO2-neutral arbeitet und dass der HUB Wien als Umschlagplatz erhalten werden kann. Gleichzeitig wird es notwendig sein, den Wettbewerb zwischen Eisenbahn und Luftfahrt in Europa so zu gestalten, dass eine Wettbewerbsfähigkeit für beide Verkehrsmittel gegeben ist. Die Transformation der Branche in Richtung CO2-Neutralität ist abhängig vom verfügbaren Treibstoff. Diesbezüglich müssen Anstrengungen unternommen werden, um diesen auch bereitstellen zu können.
  • Gerald Hauser, FPÖ
    Es muss endlich Schluss sein mit diesem klimahysterischen Bashing der Luftfahrtindustrie. Dafür möchte ich mich persönlich auf EU-Ebene einsetzen. Wir stehen für den Umweltschutz mit Hausverstand. Es soll immer auf die Umwelt geachtet werden, aber in der aktuellen sehr schweren wirtschaftlichen Situation (Inflation…) muss der Standort Österreich attraktiv bleiben.
  • Die Grünen
    Der überproportionale Beitrag der Luftfahrt an der Verschlimmerung der Klimakrise macht konsequente Klimaschutz-Schritte dringend nötig. Neue Landebahnen auf Flughäfen oder Greenwashing-Aktionen zählen da allerdings nicht dazu. Vielmehr braucht es einen wirksamen Emissionshandel. Außerdem muss umweltschonendes Reisen gefördert werden und klimaschädliches Verhalten einer Kostenwahrheit unterstehen. Die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf klimaschonendere Verkehrsmittel wie die Bahn ist uns ein großes Anliegen. Wir fordern daher einen Bahn-Billigtarif von 10 Cent pro Kilometer zwischen den Hauptstädten. Alternative Treibstoffe und Optimierung bei der Energieeffizienz sind wichtig, aber alleine bei weitem nicht ausreichend im Angesicht der Klimakrise. Neben diesen Aspekten müssen wir auch die Arbeitsbedingungen in der Branche anschauen und Sozialdumping zurückdrängen.
  • Helmut Brandstätter, NEOS
    Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes ist ein zentrales Anliegen von NEOS, die wir durch umfangreiche Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene erreichen müssen. Im NEOS-Standortindex haben wir detaillierte Reformvorschläge vorgestellt. Gleichzeitig brauchen wir Kostenwahrheit für eine wirkungsvolle Klimapolitik, gerade im Flugverkehr ist ein einheitliches europäisches Vorgehen essentiell. Wir sehen eine ambitionierte CO2-Bepreisung als zentrales klimapolitisches Steuerungsinstrument, das effiziente CO2-Reduktion gemäß dem Verursacherprinzip umsetzt. Durch die umfangreiche Reform des europäischen Emissionshandels im Rahmen des Green Deals wurden ambitionierte Regeln für den darin bereits enthaltenen Luftverkehr erlassen, was wir begrüßen. Es ist wichtig, dass hier auf europäischer Ebene gehandelt wird und damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für die gesamte europäische Luftfahrt gewährleistet werden. Der Fokus in der nächsten Legislaturperiode muss aber sein, die zahlreichen gesetzlichen Vorgaben im Rahmen des Green Deals praxisorientiert und so unbürokratisch umzusetzen, damit die gesteckten Ziele tatsächlich erreicht werden.

Quelle: Initiative Zukunft Tourismus; die Antworten auf die restlichen Fragen sind unter: www.tourismuswirtschaft.at/eu-wahlcheck zu finden. (red)

Foto: IZT/Zupanc

Mitglieder der Initiative Tourismus v.l.n.r. Oliver Himmel, Flughafen Wien, Patrick Quatember, Austrian Leading Sights, Walter Veit, Österreichische Hoteliervereinigung, Eva Buzzi, ReiseVerband, Paul Blaguss und Michaela Reitterer, Sprecher der Initiative Zukunft Tourismus, Klaus Panholzer, Austrian Leading Sights, Mathias Schattleitner, Bund Österreichischer Tourismusmanager, Djeiran Malek-Hofmann, VERKEHRSBUERO, Philip Newald, Casinos Austria, und Johann Hörtnagl, Urlaub am Bauernhof - Foto: IZT/Zupanc


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Autor/in:

Redakteur / Managing Editor

Dieter ist seit fast 25 Jahren wichtiger Teil des Profi Reisen Verlag-Teams. Fast jedes geschriebene Wort, das die Redaktion verlässt, geht über seinen Schreibtisch.





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