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DZT-Interview: Wir lernen mit und durch das KI-Projekt Emma
Vor Kurzem hat die Deutsche Zentrale für Tourismus e.V. (DZT) mit „Emma“ einen KI-basierten Avatar auf den Markt gebracht, der auf den Content der DZT-Webseite zugreifen und eigenständig Antworten auf Fragen der User generieren kann. Fragen über die Idee dahinter, die Rezeption am Markt, aber auch über die Positionierung Österreichs im deutschen Incoming, über Budgetkürzungen und Hoffnungsmärkte beantwortet Vorstandsvorsitzende Petra Hedorfer für tip-online ganz reell.
tip: Auf welche Kanäle konzentriert sich die DZT bei der Vermarktung?
Petra Hedorfer: Wir nutzen weltweit die gesamte Klaviatur des Marketings, online und offline. Im b2b-Bereich liegt unser Schwerpunkt auf der engen Zusammenarbeit mit Veranstaltern und Leistungsträgern, wie etwa unsere langjährige Kooperation mit der ÖBB. Unsere b2c-Kampagnen adressieren die jeweiligen Sinus Milieus marktspezifisch und themenabhängig. Hierbei sind in der nachhaltigen Transformation für uns insbesondere die Cosmopolitan Avantgarde, Progressive Realists und Performers relevant. Wir ergreifen auch gerne Chancen für Innovationen. So haben wir in Österreich die erste digitale OOH (Anm. d. Red.: Out of Home)-Kampagne, die dynamisch auf datengetriebene Echtzeit-Personalisierung setzte, durchgeführt. Wichtig ist uns auch die Ausrichtung in den sozialen Medien an marktspezifische Gegebenheiten beispielsweise mit landesspezifischen Kanälen.
Welche Rolle spielt der österreichische Markt für das Reiseland Deutschland?
Petra Hedorfer: Aus Österreich verzeichnen wir ein langfristiges, kontinuierliches Wachstum. Im Zeitraum 2014 bis 2023 sind die Übernachtungszahlen der österreichischen Gäste um 18,3% von 3,4 Mio. auf 4,2 Mio. gestiegen. Von 2022 auf 2023, also nach der Pandemie, lag der Zuwachs bei 15,8%. Diese Entwicklung setzt sich auch 2024 fort: Von Januar bis August lag die Zahl der Nächtigungen bei 3,04 Mio., was einer Steigerung von 6,1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht. Aktuell liegt die „Recovery Rate“ bei 102,4%. Damit nimmt Österreich im internationalen Länderranking den fünften Platz – hinter den Niederlanden, der Schweiz, den USA und UK – ein. Die Top-Ziele nach Übernachtungen sind Bayern mit 44,2% vor Baden-Württemberg mit 12,7% und Berlin mit 7,8%.
Sie waren vor kurzem in Indien – welches Potenzial sehen Sie dort?
Petra Hedorfer: Mit 1,4 Mrd. Menschen und einer wachsenden Mittelschicht ist Indien auf dem Weg zu einem der Top-5 Quellmärkte im globalen Tourismus. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre wuchs die Zahl der Übernachtungen aus Indien in Deutschland um fast 50% auf 960.000. Kaufkraft und Reiselust nehmen weiter zu. Daher intensivieren wir die Aktivitäten der DZT mit einem Indien-Pool und einer „India Digital Travel Knowledge Tour“ im Frühjahr. Wir setzen seit 2003 auf eine langfristige Marktbearbeitung der DZT mit einer Vertriebsagentur in New Delhi.
Emma ist Teil der umfassenden Digitalund KI-Strategie der DZT
Die jüngste Social Media Kampagne dreht sich um AI Travel Companion Emma. Was war die Idee dahinter?
Petra Hedorfer: Emma ist Teil der umfassenden Digital- und KI-Strategie der DZT. Besonders in den wichtigen Quellmärkten in Nordamerika und Asien genießen Virtuelle Influencer bereits eine hohe Akzeptanz. Mit dem KI-gestützten Chatbot „Anja“ haben wir seit 2020 Erfahrungen auf der DZT-Website gesammelt und personelle Ressourcen bei der Beantwortung von Fragen entlastet. Emma hat jetzt Anja abgelöst – mit weiterentwickelter Funktionalität, wie Large Language Models (LLM) hat sie auch Verständnis für menschliche Sprache, kann selbstständig individuelle Antworten generieren und Konversationen führen. Emma ist ein Pilotprojekt, sie lernt durch die Aufgaben der User und wir lernen mit ihr.
Anscheinend sehen reale Influencer in Emma eine direkte Konkurrenz. Ist ihre Angst berechtigt?
Petra Hedorfer: Überhaupt nicht. Emma ist eine Ergänzung der digitalen Services. Echte Menschen und reale Bilder sind unverzichtbar, um für eine Destination zu werben. Die DZT setzt auch in Zukunft auf echte Personen als Botschafter in ihren Kampagnen, auf klassische Reisejournalisten oder physische Influencer. 2023 haben wir mit Influencern 148 Mio. Impressionen generiert. Dahinter stecken jahrelange Aufbauarbeit und beträchtliche Investitionen. Auf dieses Potenzial wollen wir auch in Zukunft nicht verzichten.
Wie ist Emma mit den verschiedenen Datenquellen (Open Data) verbunden?
Petra Hedorfer: Das „Startguthaben“, also die Basisdaten, stammen aus dem Content der DZT-Website germany.travel. Mit Jahresende ist die Anbindung an den „Knowledge Graphen“ geplant. Weitere Datenquellen wie Hotelinformationen, Veranstaltungskalender oder Fahrpläne werden step by step integriert. Dank Deep Learning- Algorithmen und Natural Language Processing kann Emma immer mehr Informationen verarbeiten und weitergeben und so ständig Authentizität dazugewinnen.
Emma ist keine eigene Marke
Wie sieht die langfristige Vision mit Emma aus?
Petra Hedorfer: Emma ist keine eigene Marke, sondern wurde zur Unterstützung der Markenstrategie für das Reiseland Deutschland entwickelt. Sie wurde mit KIAnwendung designt, um Technik-affine Zielgruppen anzusprechen, die wir durch Erhebung von Sinus Milieus definiert haben. Instagram wird in diesen Zielgruppen besonders stark frequentiert – daher haben wir für Emma einen eigenen Instagram- Kanal eingerichtet. Langfristig wäre es denkbar, dass weitere Avatare mit entsprechenden Personas für weitere Zielgruppen kreiert werden – aber das ist im Moment noch Zukunftsmusik.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für den Tourismus in Deutschland? Stichwort Budgetkürzung der DZT…
Petra Hedorfer: Die großen gesellschaftlichen Themen wie Klimawandel, digitale Transformation, demografischer Wandel oder Veränderung der Arbeitswelt, sind für den internationalen Tourismus – und damit auch für uns – große Herausforderungen. In dem Zusammenhang sind Budgets ein wichtiges Thema. In der aktuellen politischen Situation in Deutschland und angesichts einer angespannten Haushaltslage müssen wir allerdings bei der Etatzuweisung auf Sicht fahren.
Auf welche Themen fokussiert sich die DZT in den nächsten Jahren?
Petra Hedorfer: Wir wollen die Kernmarke „Reiseland Deutschland“ weiter stärken und uns als nachhaltiges und modernes Qualitätsreiseziel positionieren. Die Top- Positionen im Städte- und Kulturtourismus sowie als Geschäftsreiseziel wollen wir stabil halten und das Potenzial als Naturreiseziel ausbauen.
Wo sehen Sie die DZT in drei Jahren?
Petra Hedorfer: In der aktuellen Situation – Stichwort geostrategische Veränderungen – gibt es natürlich viele Imponderabilien. Seit zwei Dekaden gestalte ich gemeinsam mit meinem Team die Transformation der DZT und greife die Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung auf. Die DZT muss auch in Zukunft als Drehscheibe für den touristischen Mittelstand Angebot und Nachfrage on- und offline zusammenbringen. Als Brand Owner von „Germany Simply Inspiring” ist es unsere Aufgabe, gemeinsam mit den Akteuren im Deutschlandtourismus, Inspiration für das Reiseland Deutschland auf allen Kanälen weltweit zu schaffen. Ich bin überzeugt, dass Tourismus durch die Begegnung der Kulturen auch eine Brücke zur Völkerverständigung und zum Leben in einer friedlichen Welt bauen kann. Dazu wollen wir unseren Beitrag leisten, um Deutschland in der Champions League der internationalen Reiseziele auch weiterhin an der Spitze zu platzieren.
Die Fragen stellte Elo Resch-Pilcik
DZT, ki, ai, herausforderungen, influencer, interview, deutschland, technolgie, weiterentwicklung
Autor/in:
Dieter Putz
Redakteur / Managing Editor
Dieter ist seit 25 Jahren wichtiger Teil des Profi Reisen Verlag-Teams. Fast jedes geschriebene Wort, das die Redaktion verlässt, geht über seinen Schreibtisch.
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